Es ist Fussball-EM. Eine schöne Zeit. Noch schöner, wenn unsere Nationalmannschaft vorne mitspielt. Und es sieht ja gut aus. Die Schweizer Elf steht im Achtelfinal. Ein Wermutstropfen trübt aber meine euphorisierte EM-Stimmung. Nein, es ist nicht das Wetter. Auch wenn Public Viewing bei Sonnenschein, unter vielen Leuten, bei Bier mehr Spass macht, als schlotternd, unter einem Schirm, bei Kaffee mit Güx.
Es ist die immer wiederkehrende Zwängerei über das zu wenig enthusiastische Singen der Nationalhymne der Schweizer Spieler. Viele wünschen sich, Petkovics Mannen würden sich ein Vorbild am Chilenen Ivan Zamorano nehmen. Am 27. Juni 1998, ebenfalls in Frankreich, aber an einer WM, sang er lautstark, tief ergriffen und den Tränen nah.
Ich frage mich, weshalb diese Diskussion praktisch nur beim Fussball stattfindet. Beim Skifahren ist die Hymne kein Thema. Beat Feuz kämpfte bei der Siegerehrung 2012 in Wengen mit den Tränen, als der Schweizer Psalm ertönte und das Publikum stimmgewaltig einstieg. Gesungen hat er nicht. Gestört hat es niemanden. Völlig zu Recht.
Und wer weiss, vielleicht ist es unserer Nati dienlicher, wenn ein Spieler vor dem Match in sich geht und die Videoanalyse vom Vortag in Gedanken verinnerlicht, statt zu singen. Sie wissen schon, so wie das die Skifahrer vor dem Rennen machen. Und übringens: Ivan Zamoranos inbrünstiger Gesang brachte gar nichts. Chile verlor den Achtelfinal im Parc des Princes gegen Brasilien deutlich mit 1:4.
Mein Fazit: Mit dem Singen der Nationalhymne soll es jeder halten, wie er will – ob Zuschauer vor dem Fernseher, Feiernder am Public Viewing, Fan im Stadion oder eben Spieler auf den Rasen.
Dieser Text erschien in leicht abgeänderter Form am Freitag, 17. Juni 2016, unter der Rubrik „Kopfsalat“ im Berner Oberländer.
In der Folge erreichten mich auch zwei Zuschriften von Lesern. Diese will ich nicht unterschlagen:
- Sie haben recht! Ich denke, auch die „echten“ Schweizer sollten nicht mehr singen. Beim letzten Match war es auffällig und befremdend, dass nur diese den Mund aufgemacht und alle „Ausländer“ ihre Lippen fest zugedrückt haben.
Gruss und schöner Tag - Herr Günter hat offensichtlich ein Problem, dass unsere Fussball Nati den Text unserer Nationalhymne nicht oder nur beschränkt, mitsingt. Werter Herr Günter, mehr als die hälfte unserer Nati können sich mit unserer Hymne nicht identifizieren, da sie im Innersten halt eine andere Heimat haben. Wenn ich im Innersten Albaner bin, singe ich nicht „Trittst im Morgenrot daher“. Ich habe z.B. Herrn Oesyl bei den Deutschen beobachtet. Der bewegt nicht mal die Kinnlade beim Abspielen der Hymne, warum ? weil er Türke ist und bleibt. Nach meinem Empfinden gehören die Hymnen sowieso nicht vor jedem Spiel abgespielt, wenn man sich gleichzeitig in den Gassen vermöbelt.
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