Nicht jeder kann sich den Psychiater leisten. Und viele, die es sich leisten könnten, hält der Stolz ab, sich auf die Coach zu legen.
Nicht jeder kann sich den Psychiater leisten. Und viele, die es sich leisten könnten, hält der Stolz ab, sich auf die Coach zu legen. Überhaupt treibt das nur Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien in die Höhe. Und was will einem so ein studierter Quacksalber, der noch nie selbst im Leben stand, sagen, wenn es einem mal schlecht geht? Nein, was ein echter Mann ist, trägt seine Sorgen mit sich herum. Und wenn alles zu viel wird, lädt er sie dort ab, wo die gewichtigen Worte fallen und die bewegenden Entscheide gefällt werden – an der Theke. Aber nicht – wie die schlechten Witze, die prahlerischen Bettgeschichten und die nostalgischen Früher-war-alles-besser-Geschichten – vor versammelten Publikum bei Hochbetrieb. Nein zu einsamer Stunde, wenn kaum einer da ist und keiner zu hört. Keiner ausser dem Barkeeper. Dieser zentralen aber stillen Figur im sonst so lauten Lokal. Dessen Aufgaben weit über das Kredenzen von Bier, dem Mixen von Cocktails und dem Ermahnen von besonders trunkenen Gästen hinausgeht. Er hört zu. Er nickt im richtigen Augenblick. Er brummt im passenden Moment mitfühlend. Er gibt zum passenden Zeitpunkt Plattitüden à la «es wird schon gut» und «am dunkelsten ist es, bevor es hell wird» von sich. Aber vor allem: Er hört zu. Es ist ein wenig untersuchter, wunderschöner Prozess, der in der von Bier geschwängerten Atmosphäre von statten geht. Der Bebürdete legt seine Last ab. Tankt neben den Promillen auch neue Hoffnung. Klar sind die ursprünglichen Probleme immer noch da, aber sie rücken in den Hintergrund, verlieren ihre Bedrohlichkeit, ihre alles überschattende, lähmende Bedeutung. Nur weil da einer ist, der zuhört. Und nickt. Und brummt. Und Plattitüden von sich gibt.
Eine Frage bleibt aber offen: Was macht der Barkeeper, dieser gute Geist, dieser Medizinmann der Seele, wenn er von seinen Ängsten, Sorgen und Problemen erdrückt wird. An wen wendet er sich? Wo findet er Trost und Zuspruch. Wer hört ihm zu. Nickt. Brummt. Gibt Plattitüden von sich? Diesseits der Theke weiss das niemand. Obwohl einige glauben, dass es eine andere Theke gibt – eine «Meta-Theke» wenn man so will – für die Barkeeper dieser Welt. An der uns wohl bekannten Theke getraue sich noch niemand «seinem» Barkeeper diese Frage stellen. Wer möchte am Ende schon herausfinden, dass der Rettungsanker auf den er sich stets verlässt, selbst nicht auf Grund ruht?
Mehr zu «Geschichten von der Theke»: https://mcstrider.com/2012/07/17/geschichten-dies-und-jenseits-der-theke/
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