Roland Widemayr schaffte den Drogenausstieg und bekam sein Leben in den Griff. Dass er heute glücklich ist, verdankt er einer Frau, seinem Glauben und der Passantenhilfe der Heilsarmee.
«Heute bin ich glücklich», sagt der 55-jährige Roland Widemayr. Dass dies nicht selbstverständlich ist, weiss er selbst. Schon in seiner Jugend kam er mit Drogen in Kontakt, die in den kommenden Jahren seine ständigen Begleiter sein sollten. Er sank immer tiefer in den Sumpf. «Heute schäme ich mich für diese Jahre. Sie sind unwiderruflich verloren.» Eine Tatsache, die er akzeptiert und damit Leben gelernt hat. Dank eines mutigen Entschlusses und dank der Hilfe von Mitmenschen.
Vor rund zehn Jahren gelang Widemayr den Ausstieg – durch die Liebe zu einer Frau. «Sie nahm mich unter ihre Fittiche.» Widemayr erkannte, dass er Hilfe brauchte und fand sie – neben seiner Lebensgefährtin – in der Person von Seev Levy, Leiter der Passantenhilfe Bern, ein Kooperationsprojekt der Heilsarmee und der AKiB (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Region Bern).
Erst nahm Widemayr an einem Methadonprogramm teil. Dann – obwohl die Dosis sehr hoch war – entschied er sich für den Entzug. «Viele glaubten nicht, dass ich es schaffe, und tatsächlich hätte es mich fast getötet.» Es dauerte ein halbes Jahr, bis er körperlich wieder einigermassen gesund war. In dieser neuen Nüchternheit musste er sich auch einem neuen Problem stellen: Schulden. Mit 36’000 Franken stand er in der Kreide. Eine Schuld, die Widemayr aus eigener Kraft begleichen wollte.
«Seev zeigte mir den Weg.» Der Sozialarbeiter half Widemayr, der inzwischen als Zeitungsverträger arbeitete, seine Finanzen zu organisieren und einzuteilen. «Nach fünf Jahren war alles zurück bezahlt», sagt Widemayr mit berechtigtem Stolz. Noch heute verträgt er Zeitungen. «Sieben Tage die Woche ohne je einen Tag zu fehlen.» Inzwischen hat er sich einen Jungendtraum erfüllt und sich ein Motorrad angeschafft. Widemayr geniesst sein neues Leben und schaut optimistisch in die Zukunft. «Ich habe keine Angst vor einem Rückfall. Heute verkrafte ich auch einen Rückschlag.»
Beim Ausstieg spielte der Glaube eine grosse Rolle. Widemayr wuchs katholisch auf, fand aber in dieser Institution nie eine Beziehung zu Gott. «Seev zeigte mir, dass man direkt mit Gott sprechen kann.» Das habe ihm die nötige Kraft gegeben. «Seither weiss ich, dass ich nie alleine bin. Der Schöpfer ist stets bei mir.»
Widemayr rät allen betroffenen Menschen, den Ausstieg zu wagen, egal wie lange sie schon im Sumpf stecken. «Man muss es aber für sich selbst wollen.» Es sei wichtig, dass man Ziele habe. «Etwas, das einem vorwärts treibt. Bei mir waren es die Musik und meine Lebensgefährtin.» Der Entzug selbst sei körperlich hart aber nicht die schwerste Hürde. Nachher, wenn man das erste Mal seit Jahren richtig nüchtern ist, droht der Fall in ein Loch. «Man darf nicht zu stolz sein, Hilfe anzunehmen. Alleine hätte ich es nicht geschafft.» Der Moment als er bei der Passantenhilfe anklopfte und Seev Levy kennenlernte, sei entscheidend gewesen.
Für die Zukunft plant Widemayr einiges. Im Moment lernt er Klavier zu spielen. Die Drums, Gitarre und Bass beherrscht er schon. «Ich will eine CD aufnehmen. Nicht um Geld zu verdienen, sondern für mich selbst.»
Der Text entstand im Auftrag der Heilsarmee und erschien im «Magazin der Heilsarmee Schweiz» (Nr 1./Dezember 2012)
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