Verfasst von: mcstrider | Juli 12, 2013

Ankunft im KWO-Land – Das Wetter ist «gut»

Der Schreibende reiste für seine Recherchen mit dem Postauto an die Grimsel  ins KWO-Land – das rund 400 Quadratkilometer grosse Einzugsgebiet der Kraftwerke Oberhasli AG.

Granit und Mauer verschmelzen im Chessibidmer an der Grimsel.

Granit und Mauer verschmelzen im Chessibidmer an der Grimsel.

Ein Schreckensmoment: Das Postauto biegt vom modernen, sicheren Asphaltweg ab. Statt durch den schützenden Tunnel geht es über Kopfsteinpflaster auf der schmalen, ursprünglichen Passstrasse. Links der Fels, rechts der Abgrund. Vor einer unübersichtlichen Kehre lässt der Chauffeur das weltbekannte Horn erklingen. «Tatütata.» Und der Passagier auf einem vorderen Platz hofft, dass auf der viel zu engen Strasse niemand entgegenkommt.

Doch falsch. Am Strassenrand steht eine Gruppe junger Menschen in Neoprenanzügen. Sie winken fröhlich, und der Fahrer winkt fröhlich zurück. Ein Blick zurück zeigt, dass die Fussgänger wenig später verschwunden sind. Sie haben sich für ein Canyoning-Abenteuer ins Tobel abgeseilt. Die Fahrt mit dem Postauto geht weiter und der Chauffeur erklärt die Bedeutung des Säumerweges auf der anderen Seite. Über diesen wurde über Jahrhunderte der Handel zwischen Nord und Süd abgewickelt.

Kurz darauf ist das Postauto wieder auf der «normalen» Passstrasse und die Fahrt geht weiter in die Höhe. Und bald erhebt sich majestätisch eine graue Wand in die Höhe. Na ja, grau stimmt nicht genau. Auf dem Beton hat sich eine Patina gebildet. Das Resultat ist eine graugrünliche Mischung – ähnlich wie man sie vom Grimselgranit kennt.

Ein Effekt, den die Erbauer der Staumauer wohl nicht beabsichtigt haben, der aber ihren Nachfolgern, den heutigen Verantwortlichen der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO), sehr gelegen kommt. Denn damit passen die grossen Bauwerke in ihrer schroffen Kargheit auch farblich gut in die Landschaft an der Grimsel. Ich bin mitten im KWO-Land angekommen. Oder in der Grimselwelt wie es touristisch korrekt heisst.

Alfred Wittwer, Leiter terrestrische Ökologie und Verantwortlicher Nachhaltigkeitsleitlinien der KWO, und McStrider am Gelmersee.

Alfred Wittwer, Leiter terrestrische Ökologie und Verantwortlicher Nachhaltigkeitsleitlinien der KWO, und McStrider am Gelmersee.

Und es ist eine vielfältige Welt mit tosenden Wassern, steilen Bahnen, trüben Seen, sich windenden Strassen, geschützten Arven, tiefen Schächten, wertvollen Mooren, gewaltigen Turbinen, gefährdeten Reptilien, taldurchschneidenden Hochspannungsleitungen, seltenen Pflanzen, gastfreundlichen Hotels, florierenden Auen und – natürlich – hohen Mauern. Und – last, but not least – begeisterten Mitarbeitern.

Ob Servicepersonal, Bahnführer, Bauarbeiter, Ingenieur, Ökologe oder Besucherführer, alle schwärmen von ihrem Arbeitgeber der KWO und versuchen, auch den Gast für das Unternehmen zu begeistern. Und wenn das Wetter mal alles andere als freundlich ist, wenn dem Gast auf der Passhöhe Schneeflocken ins Gesicht klatschen und der beissende Wind die klirrende Kälte noch brennender macht, geben sie Gegensteuer. Und dann zitieren sie ihren Chef, KWO-Direktor Gianni Biasiutti. «Für die Wasserkraft gibt es kein schlechtes Wetter – nur gutes und schönes. Und heute haben wir gutes Wetter.»

Dieser Text ist im Rahmen der losen Serie „Im KWO-Land“ im Berner Oberländer entstanden. Der erste Teil der Serie ist am 12. Juli 2013 erschienen. Link zum ganzen Artikel.

Den kritischen Leserbrief an den Berner Oberländer zum obenstehenden und dem dazugehörenden Artikel will ich nicht unterschlagen:

Unwort des Tages

Der Berner Oberländer macht für die KWO eine (nicht als solche gekennzeichnete) Publireportage – der erste Teil ist eine begeisterte Werbung: der Redaktor betet eifrig KWO-Doktrin nach, unkritisch, einäugig. Und mit dem dümmlichen Begriff „KWO-Land“ (Disney-Land??) trägt er absichtlich oder gedankenlos zur Festigung des KWO-Besitz- und Herrschaftsanspruchs im Hasli bei. Es reicht nicht, dass die KWO das Wasser und grosse Teile der Landschaft beanspruchen, Berge besitzen, im Tourismus Führung übernehmen, über Beteiligungen und Sponsoring Vereine, kulturelle und Bildungsinstitutionen beeinflussen – nein: sie übernehmen auch die Sprache und damit die Vorstellungen von der Wirklichkeit, das Denken: Grimselwelt, Grimseltor, Sidelhornbahn, saubere Wasserkraft, intakte Landschaft, und nun neuerdings KWO-Land – lauter Wörter, mit denen die Wirklichkeit im Interesse der KWO-Geschäftsinteressen zurechtgebogen und unterworfen wird.

Vielleicht muss man hin und wieder dran erinnern, dass es im Hasli auch ein Leben ausserhalb der KWO gibt, dass Berge, Wasser, Täler unabhängig von ihrer Nutzung und Ausbeutung eine eigene Existenz haben…?


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