Verfasst von: mcstrider | Juni 16, 2014

Zum Jubiläum des Festivals rockte die «eiserne Jungfrau» das braune Feld

Die englische Heavy-Metal-Band Iron Maiden (v.l.): Dave Murray, Bruce Dickinson, Adrian Smith, Janick Gers, Steve Harris und Nicko McBrain (hinter seinem Schlagzeug versteckt) liessen die Greenfield-Besucher den Regen vergessen.

Iron Maiden − zu Deutsch «eiserne Jungfrau» − gehören zu den Übervätern des Heavy Metal. Die Engländer waren der Headliner des 10.Greenfield Festival. Und sie enttäuschten nicht. Hier mein Konzertbericht im Berner Oberländer:

«Doctor, Doctor, Please, Oh the Mess I’m in», dröhnte aus den Boxen. Und ja, am Freitag, dem 13., war es ein Durcheinander, ein Chaos, ein Schlamassel − was «mess» übersetzt heisst − am 10. Greenfield Festival; besonders Schlamassel oder «Schlammassel». Kurz nach 18 Uhr öffnete der Himmel die Schleusen und goss Unmengen von Wasser über die rund 24000 Besucher auf dem Flugplatz Interlaken. Später gesellten sich zu den Regentropfen auch noch Hagelkörner. Die deutsche Punkrockband Broilers musste ihren Auftritt unterbrechen, und ein Barzelt brach unter der Wasserlast ein. Verletzte gab es keine, aber der beliebte Treffpunkt musste abgebaut werden.

Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei. Die Organisatoren und zahlreiche Helfer brachten das Festival wieder in geordnete Bahnen. Und die meisten Festivalbesucher steckten die kalte Dusche gut weg und vergnügten sich gar im Schlamm. Musikalisch brachte Sabaton Erste Hilfe. Die schwedische Power-Metal-Band tat das, was sie schon die letzten Monate getan hatte: das Publikum für  die «beste Heavy-Metal-Band der Welt», wie Sabaton-Sänger Joakim Brodén meinte, aufwärmen.

«Doctor, Doctor, Please», klang aus den Boxen. Und falls der eine  oder andere noch mit dem Wetter haderte, war spätestens jetzt wieder gute Laune angesagt. Denn der Song von UFO aus dem Jahr 1974 wird traditionell unmittelbar vor dem Auftritt von Iron Maiden eingespielt. Die Ikone der «New Wave of British Heavy Metal» war der Headliner der Jubiläumsausgabe des Oberländer Rockfestivals.

Meister ihres Faches
Und die Engländer brannten ein Schwermetallfeuerwerk ab. Während eine «gewöhnliche» Metal-Band auf zwei Gitarristen setzt, gehen bei Maiden mit Dave Murray, Adrian Smith und Janick Gers drei zu Werke. Dies eröffnet zahlreiche Möglichkeiten zu Variationen und Wechselspielen bei Solos, die die Engländer voll ausschöpfen. Allerdings klappt dies nur bei hervorragend eingespielten Meistern ihres Fachs. So liess sich etwa Gers beim Solo zu «The Trooper» auch nicht davon irritieren, als ihm Sänger Bruce Dickinson kurzerhand die englische Fahne ins Gesicht hielt.

Dickinson − immerhin schon über 55 Jahre alt − nützte die speziell für ihn konzipierte Bühne mit mehreren Ebenen voll aus. Die «Air Raid Siren» (Luftschutzsirene), wie Dickinson wegen seiner markanten markdurchdringenden Stimme genannt wird, war ständig in Bewegung. Wenn er nicht sang, peitschte er das Publikum an. Meist mit der Aufforderung: «Scream for me, Switzerland. Schrei für mich, Schweiz.» Das Publikum kam dieser Anweisung begeistert nach und schrie sich die Seele aus dem Leib.Die Bühnenshow gehörte hauptsächlich Dickinson, unterstützt von den drei Gitarristen. Drummer Nicko McBrain und Bassist, Bandgründer und Mastermind Steve Harris hielten sich  eher im Hintergrund. Sie sorgten aber für das Tempo und trieben die Songs unerbittlich voran.

Wechselndes Bühnenbild
Dickinson passte mehrmals sein Outfit den Songs an. Bei «The Trooper» trug er, während er den «Union Jack» schwang, einen Rotrock der britischen Armee oder eine Fliegerhaube bei «Aces High», in dem Dickinson, selbst ein Pilot, einen englischen Flieger im 2.Weltkrieg besingt. Bei den Kleiderwechseln erreichte Dickinson nicht die Kadenz einer Lady Gaga oder Britney Spears − anders das Bühnenbild, das bei jedem Song wechselte, sodass Eingeweihte oft schon vor dem ersten Ton wussten, auf welches Lied sie sich freuen konnten.

Weshalb Greenfield?
Unter dem Teil des Publikums, der nicht auf der asphaltierten Piste stand, verwandelte sich der Boden zunehmends in einen Sumpf. «Why do you call it Greenfield?», wollte Dickinson wissen. Er sehe kein Grün, nur Braun. Er hätte nun das Festival in «Brownfield» umtaufen können. Aber er entschied sich für das profanere «Shitfield», Scheissfeld, und mutmasste, ob das Publikum nun im Dreck oder in Kuhfäkalien stand.
Übel nahm ihm das niemand. Schliesslich entstanden Iron Maiden 1975 aus einer Gegenbewegung zum damals vorherrschenden Punk. Mit diesem teilte man  die rebellische Einstellung, so verunglimpften Maiden auf einem Singlecover auch die damals regierende Premierministerin Margaret Thatcher. Aber musikalisch unterschied man sich schon nur alleine dadurch, dass man sein Instrument beherrschte, was beim Punk kaum nötig war.

Reise in die Vergangenheit
Die Set-List war stark von den 1980er-Jahren geprägt, wie schon auf der ganzen «Maiden England World Tour», die 2012 begonnen hatte und am 5.Juli am Sonisphere Festival enden wird. Geprägt ist sie von einem Konzertvideo mit demselben Namen, das die Band 1989 veröffentlicht hatte. «Es war einfach das, worauf wir Lust hatten», erklärte Bandchef Harris im Vorfeld der Tour gegenüber dem Branchenmagazin «Metal Hammer». Entsprechend waren die Songs des 1988 erschienenen Albums «Seventh Son of a Seventh Son» stark vertreten. Ein Album, mit dem die Band damals Kritik widerlegen wollte, die Maiden vorwarf, Meister der Selbstkopie zu sein. So experimentierten die Musiker etwa beim namensgebenden Stück mit einem Synthesizer, was damals viele Fans als Sakrileg empfanden. Zwar schafften es etwa mit «Fear of the Dark» Lieder ins Line-up, die nach 1989 entstanden waren, aber keines war weniger als 20 Jahre alt. Man sei aber keine Nostalgieband, erklärte Adrian Smith gegenüber einer amerikanischen Zeitung. Es sei darum gegangen, dass die Fans die alten Songs wieder einmal hören. «Ich sehe daran nichts Falsches.»

Das sah wohl auch der Grossteil des Publikums so. Zum Abschluss setzten Maiden mit «Sanctuary» nochmals ein Zeichen und sorgten bei einigen älteren Zuschauern doch für Nostalgie. Der Song stammt vom Debütalbum «Iron Maiden», war aber nur in der amerikanischen Version enthalten, nicht in der europäischen. Als Maiden am 27.Mai 1993 in Lausanne auftraten, spielten sie «Sanctuary», nahmen es auf und veröffentlichten es auf dem Livealbum «A Real Dead One». Der eine oder andere, der damals in Lausanne dabei war, war auch am Freitag am Greenfield Festival mit von der Partie.

Dieser Artikel erschien am 16. Juni im Berner Oberländer. Zur Onlineversion mit einem Festivalfazit der Organisatoren geht es hier.


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