Verfasst von: mcstrider | November 7, 2017

Die Krimikrise und das Berner Oberland

Zum Auftakt des Krimimehrteilers „Wilder“ auf SRF1 machte ich mir im Berner Oberländer Gedanken zum Genre Krimi im Allgemeinen und zur neuen Schweizer Produktion im Speziellen.

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Sucht im fiktiven Oberländer Ort Oberwies einen Möder: Kommissarin Rosa Wilder (Sarah Spale). Bild: SRF

Das Genre Krimi krankt: Kriminalfilme und -serien wollen heutzutage alles sein, nur keine Krimis. Dies zeigt sich am allsonntäglichen «Tatort»: Wir erleben Dramas, Kommissare, die mit menschlichen Abgründen kämpfen, Autoren, die gnadenlos die Probleme der heutigen Gesellschaft benennen. Die Suche nach dem Mörder – der meist auch Opfer ist – verkommt zur Nebensache. Wichtiger ist es, den Zuschauern den Spiegel vorzuhalten. Die Hoffnungslosigkeit des Kampfes von Gut gegen das übermächtige, allgegenwärtige Böse zu zeigen. Oder zumindest eine treffende Pointe zu setzen.

Und in den USA – der Leitnation in TV-Fragen – sieht es nicht besser aus: Forensiker, die jedes Mal, wenn sie eine Spur verlieren, zum Tatort zurückkehren, um eine neue zu finden, stehen wild um sich ballernden Cops gegenüber, die mehr GI als Polizist sind und das Gesetz als Hindernis statt als Verpflichtung sehen.

Und nun versucht sich das Schweizer Fernsehen an einem «echten» Krimi: «Wilder» ist eine sechsteilige Serie und spielt im fiktiven Oberländer Bergdorf Oberwies (siehe Berner Oberländer vom 6. November). Die erste Folge läuft heute ab 20.05 Uhr auf SRF 1.

Und Oberwies – so viel wird schnell klar – ist Guttannen. Abgelegen in den Berner Alpen und von Lawinen, Murgängen und den Unbilden der heutigen Zeit geplagt. Einzig eine KWO fehlt. Und so scheint vielen Dorfbewohnern ein arabischer Investor wie ein Geschenk des Himmels. Andere sehen in ihm eher den Teufel. «Und dieser hier lässt sich nicht mit einem Geissbock abspeisen», meint ein Dorfbewohner in einer gelungenen Szene – obwohl da mehr Innerschweizer Mythologie (die Teufelsbrücke) mitschwingt. Schliesslich wurde auch nicht im Oberhasli, sondern auf dem Urnerboden und in Glarus gedreht.

Die erste Folge ist geglückt. Und so verzeiht man den Machern auch, dass sie sich, was das Oberland angeht, schwertun, Klischees beiseitezulassen. Die meisten Oberwiesner sind mud­rige Mürggel mit einem Schuss Peter «It’s Cool Man» Steiner. Die erfolgreichen starken Frauen, wie die Kommissarin Rosa Wilder (Sarah Spale) oder die Bundesanwältin Barbara Rossi (Sabina Schneebeli), mussten ins Unterland, um sich zu entfalten. Und der Dialekt . . . Die Oberwiesner sprechen Berndeutsch. Aber auch das sei SRF verziehen: Waschechtes Haslitiitsch hätte den Zürcher Zuschauer wohl heillos überfordert.

Mit «Wilder» wird SRF die Krimikrise nicht überwinden. Aber man hat sich aus der Wohlfühlzone herausgewagt und ein spannendes Werk mit interessanten, teils überzeichneten Charakteren geschaffen. Wie etwa Gemeindepräsident Robert Räber, der von László Kish gespielt wird. Jenem Kish, der von 1993 bis 2003 den Berner «Tatort»-Kommissar Philipp von Burg gab. Ein Kommissar, der sich nicht zu schade war, während eines Matchs des SC Bern auf der Stehrampe des Allmendstadions zu ermitteln.

Dieser Text erschien am 7. November 2017 im Berner Oberländer.

Der sechsteilige Krimi „Wilder“ startet am 7. November um 20.05 Uhr auf SRF1. Die weiteren fünf Episoden folgen jeweils Dienstags um 20.05 auf SRF1.


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